NEUGESTALTUNG DAUERAUSSTELLUNG
Ausgangslage
2010 führte das Amt für Kultur und Sport des Kanton Solothurns einen Studienauftrag durch mit dem Ziel, das passende Gestalterbüro für die Planung der neuen Dauerausstellung zu finden. Der Regierungsrat hiess den Vorschlag des Beurteilungsgremiums gut, den Zuschlag dem Szenografiebüro element GmbH zu geben. Parallel dazu veranstaltete das Kantonale Hochbauamt einen selektiven Projektwettbewerb für die Sanierung und den Umbau des Gebäudes. Das Siegerprojekt von Edelmann Krell Architekten aus Zürich wurde 2010 gutgeheissen.
Profil und Botschaft Museum Altes Zeughaus
„Als kulturhistorisches Themenmuseum mit Schwerpunkt Wehrgeschichte ist das MAZ Ort des Dialogs und der Reflexion mit einem breiten Publikum zum Thema «Konflikte und deren Lösungsansätze». Im Zentrum steht die immer wiederkehrende Frage, wie Menschen mit Konflikten umgingen (Waffengewalt, Diplomatie, Unterwerfung, gewaltloser Widerstand) und was die verschiedenen Konfliktarten für die beteiligten Personen in der jeweiligen Epoche für Folgen hatten.“
Inhaltlicher Überblick
Die neue Dauerausstellung besteht aus einem Prolog sowie aus drei thematischen Ausstellungsteilen:
0. Prolog: Konfrontationszone im EG, Geschützinstallation
1. Reflexion zu “Konflikte und ihre Lösungsansätze“
In drei semipermanenten Kabinen werden die Themen Konflikt, Krieg und Frieden aus historischer Sicht beleuchtet und die Reflexion zu diesen Themen angeregt.
2. Kulturhistorischer Teil, Schwerpunkt Soldwesen und Wehrwesen (15.-18. Jh.), ausgehend von Solothurn
Leitobjekte sind die Harnischsammlung, die Inszenierung der Tagsatzung von Stans und die Burgunderbeute. Das Vermitteln von historischen Hintergründen steht im Zentrum.
3. Schaudepot
Zeughausartig inszeniertes Schaudepot zur Waffen-- und Kriegstechnik, das sich im EG und 1. OG der Westwand entlang zieht. Die Masse wird technikgeschichtlich kontextualisiert.
Überblick Vermittlungsebenen
Die Ausstellungsteile können je nach Interesse auf fünf verschiedenen Ebenen erfahren werden. Diese erstrecken sich über das ganze Haus und verbinden die Geschichte des 400--jährigen Gebäudes mit der Sammlung:
ZEUGHAUS EBENE 1: staunen und berühren (im Plan in Rot)
Das klassische Zeughaus (primäres Erlebnis). Hierzu gehören alle Massenpräsentationen (Geschütze, Handwaffen, Harnischsammlung) sowie die Hands--On--Installationen.
ZEUGHAUS PLUS: hören und entdecken (im Plan in Gelb)
Der Zeugwart erzählt in Hörstationen die Geschichte des Hauses mit Bezugnahme auf die Stadt Solothurn.
ZEUGHAUS EBENE 2: bewundern und erfahren (im Plan in Grün)
Hierzu gehören die wertvollen Objekte, welche nicht in erster Linie „zeughaustypisch“ sind, jedoch historisch wichtig und typisch für das Solothurner Zeughaus (Burgunderbeute, Tagsatzung, Zeughausjoggeli).
KRITISCHE KONTEXTUALISIERUNG: denken und reflektieren (im Plan in Blau)
Einzelne Exponate verweisen auf übergeordnete Fragestellungen und werden so emotional und intellektuell erfahrbar. Angestrebt wird eine Auseinandersetzung des Besuchenden mit dem Thema „Konflikte und ihre Lösungsansätze“.
EXPERTENRUNDGANG: vertiefen und wissen (im Plan in Hellblau)
Auf Anfrage am Empfang können mobile Tablets mit Zugang zum digitalen Gesamtinventar MAZ bezogen werden. Auf diesem Weg sind die mit Nummern markierten Objekte sowie deren technische Daten einzeln abrufbar.
GESTALTUNGSKONZEPT ERDGESCHOSS
Das Erdgeschoss ist in zwei Teilbereiche unterteilt: Ein Fünftel ist Empfangsbereich - eine öffentliche, neutrale Zone, in der Empfang, Garderobe, Shop und Café untergebracht sind. Die restlichen vier Fünftel dienen als Ausstellungsraum. Vor dem Schaudepot besteht die Möglichkeit, grössere Veranstaltungen durchzuführen.
Atmosphärisch bleibt das Erdgeschoss als Geschützhalle erhalten. Die Ausstellungsgestaltung ist geprägt von einer Installation mit Geschützen aus der Sammlung des MAZ (17.--19. Jahrhundert), dem Wengi-Bild und einer Installation an der Decke.
An der westlichen Raumwand entlang erstreckt sich ein technikgeschichtliches Schaudepot, eine typologisch angeordnete Massenpräsentation der Waffensammlung.
KONFRONTATIONSZONE
Die Geschütze im Erdgeschoss sind in zwei Reihen im Spalier aufgestellt. Die Besuchenden werden beim Gang durch die Ausstellung in diesem räumlich bedrohenden Moment direkt mit der Brutalität der Geschütze konfrontiert und somit für die Thematik von Waffengewalt und deren Folgen sensibilisiert. Der Bedrohung durch die Geschütze wird das Wengi-Bild als Symbol für eine gewaltlose Lösungsstrategie gegenübergestellt. Von der Decke hängen Namen von Personen, die sich ebenfalls für die Lösung von Konflikten ohne Gewalt eingesetzt haben. Die Namen und Taten der Personen werden in einer interaktiven Installation erklärt.
Die Munition ist jeweils zusammen mit dem entsprechenden Geschütz ausgestellt. Zahlen und Fakten werden auf Tafeln vermittelt.
TECHNIKGESCHICHTLICHES SCHAUDEPOT
Dieser Massenspeicher der Waffengattungen beginnt im Erdgeschoss und zieht sich bis ins erste Obergeschoss. Die Installation soll den Depotcharakter des Zeughauses unterstreichen und die einzigartige Sammlung auf einen Blick wahrnehmbar machen. Anhand der darin präsentierten Waffen vom 16. Jahrhundert bis 1874 (kant. Miliz wird eidgenössisch) werden waffen-- und kriegstechnische Entwicklungsschritte erklärt. Die Kontextualisierung über Text und Bild geschieht auf einer dem Schaudepot vorgelagerten Brüstung. Aus der Distanz erscheint das Schaudepot als grosszügige Massenpräsentation entlang der westlichen Raumwand. Die Waffentypen werden in Blöcken typologisch angeordnet präsentiert. Den Blöcken vorgelagert sind Objekte, anhand derer die technischen Besonderheiten und wichtige Innovationsschritte der jeweiligen Waffentypen gezeigt werden.
EXPERTENRUNDGANG
Auf Anfrage bekommen Besuchende beim Empfang ein Tablet, welches den mobilen Zugang zum digitalen Gesamtinventar des MAZ ermöglicht. Exponate der Massenpräsentationen sind mit der MAZ--Inventarnummer beschriftet und können über das Tablet aufgerufen werden. Auf diese Weise können sich Interessierte über technische Details zu den einzelnen Objekten informieren.
HANDS-ON
In allen Geschossen sind Objekte exklusiv „zum Berühren“ ausgestellt: Jeder Besuchende soll die Möglichkeit haben, Exemplare verschiedener Objektgattungen in die Hände zu nehmen (z.B. Zweihänder, Kanonenkugel) oder anzuziehen (z.B. Rüstung und Kettenhemd), um deren Gewicht, Material und Konstruktion zu begreifen. Die direkte Nähe zum Objekt soll den Besuchenden emotional berühren und ihn für den Umgang mit Kriegswaffen sensibilisieren. Die Hands--On gehören thematisch zum Schaudepot, sind räumlich jedoch losgelöst und als Interaktionsstationen klar erkennbar ausformuliert.
GESTALTUNGSKONZEPT 1. OBERGESCHOSS
Der Ausstellungsteil Reflexion zu „Konflikte und ihre Lösungsansätze“, wird im 1. OG durch drei klar definierte Kabinen gebildet. In den Kabinen werden die Themen Konflikt, Krieg und Frieden aus historischer Sicht beleuchtet und die Reflexion zu diesen Themen angeregt.
Durchbrüche in der Aussenwand geben den Blick auf einzelne Objekte frei und locken die Besuchenden ins Innere. Die neu eingeführte Achse verläuft im rechten Winkel zur Ostfassade und schafft so eine übersichtliche und grosszügige Eingangssituation. Die verspiegelten Oberflächen der Kabinen lassen ein dialogisches Verhältnis zwischen Raum und Besuchenden entstehen. Der imposante Raumeindruck des Zeughausgeschosses bleibt trotz der Installation erhalten.
Die Inhalte und Themen der einzelnen Kabinen überlagern sich auf der Spiegelbildebene mit der historischen Bausubstanz. Dabei tritt die Wahrnehmung der äusseren Kabinenarchitektur in den Hintergrund und schafft räumlich eine Atmosphäre für Reflexion.
Analog dem Erdgeschoss ist an der westlichen Raumwand über die gesamte Raumlänge die Fortsetzung des Schaudepots mit Hands--On--Stationen installiert.
Ein Teil des 1. Obergeschosses ist für Vermittlungsprogramme bzw. museumspädagogische Aktivitäten reserviert.
THEMENKABINEN
In den Themenkabinen wird beleuchtet, in welchen Spannungsfeldern sich Solothurn und die eidgenössischen Orte in der Frühen Neuzeit und im Ancien Régime bewegten und wie sie es schafften, sich aus den grossen europäischen Kriegen herauszuhalten. Thematisiert wird auch, wie innerhalb der Eidgenossenschaft Konflikte geschlichtet wurden und der Frieden gesichert wurde. Dass dies aber nicht immer gelang, es Kriege unter den Orten gab und die Orte auch von den grossen europäischen Kriegen betroffen waren, soll ebenfalls aufgezeigt werden.
Die Kabinen bilden einen Raum im Raum, in welchem die Besuchenden ausgehend von der historischen Perspektive angeregt werden, über Konflikte und ihre Lösungsansätze nachzudenken. In jeder der drei Kabinen gibt es eine interaktive bzw. partizipatorische Station.
Die Kabinen sind semipermanent gestaltet: die Vitrinen befinden sich in den Kabinenwänden und sind sowohl innen wie vereinzelt auch aussen angeordnet. Die Gestaltung der Räume nimmt die Themen Konflikte, Krieg und Frieden atmosphärisch auf (Böden, Wände).
GESTALTUNGSKONZEPT 2. OBERGESCHOSS
Im historischen „Rüstsaal“ ist der Name Programm: Eine raumbestimmende Massenpräsentation der Harnischsammlung dient als Kulisse für eine Vielzahl von Geschichten Solothurns aus der Frühen Neuzeit und der Zeit des Ancien Régime.
Die Besuchenden schreiten durch ein Heer von Harnischen und können in Themennischen mehr über die Söldner und ihren Alltag sowie das Wehrwesen des Stadtstaates Solothurn erfahren. Von der namenlosen Masse der Fusssoldaten heben sich die Akteure ab, welche das Soldgeschäft in den Händen hielten. Diese stehen als historische Figuren aus der Solothurner Geschichte (z.B. Balthasar von Grissach, Hans Jakob vom Staal d.Ä und d.J., Wilhelm Frölich und Wilhelm Tugginer) für Aspekte des Soldgeschäfts: für Gewinn und Konkurs, für Diplomatie und Kritik, für die Bedeutung der verwandtschaftlichen Beziehungen. Hier finden die im 19. Jahrhundert angefertigten Figurinen gewissermassen als nostalgisch-emotionale Objekte teilweise wieder ihren Platz in der Ausstellung und ergänzen so die Tagsatzung von Stans.
SÖLDNERHEER
Die anonyme Masse repräsentiert die solothurnischen und eidgenössischen Söldner, welche über Jahrhunderte für Geld auf den europäischen Schlachtfeldern gekämpft haben. Innerhalb der Masseninstallation gibt es vier Themennischen, welche sich mit der Thematik aus der Perspektive der Soldaten beschäftigt (Herkunft und Motivation, Daheim, Weg ins Feld - Weg vom Feld zurück, Gefahren). Durch vereinzelt eingesetzte Sprechblasen wird auf den Söldner als Mensch verwiesen.
SOLDUNTERNEHMERTUM
Den einzelnen „Persönlichkeiten“ kann der Besuchende von Angesicht zu Angesicht begegnen. Anhand ihrer spezifischen Geschichte werden die gesellschaftlichen Gegebenheiten der Stadtrepublik Solothurn aufgezeigt (Familienunternehmung, Verhandeln, Krieg als Business).
WEHRWESEN
Integriert in die Harnischinstallation wird das Thema „Wehrwesen“. Das Zeughaus war sichtbares Zeichen der Wehrhaftigkeit des Stadtstaates Solothurn, und die im Zeughaus aufbewahrten Waffen und Harnische dienten nicht nur zur Ausrüstung der Söldner, sondern auch der Ausstattung der Milizionäre.
DIE TAGSATZUNG VON STANS
Die Tagsatzungsgruppe bildet den Auftakt zum Rüstsaal. Beim Betreten des Raums erblickt der Besuchende als erstes diese bedeutende museale Installation aus der Biedermeierzeit. Die Szenerie mit ihren Figurinen wird begehbar gemacht. Die Besuchenden begegnen den Protagonisten von 1481 auf Augenhöhe. Vom Zeugwart erfahren sie mehr über das dargestellte Ereignis und seine Bedeutung für Solothurn.
BURGUNDERBEUTE
In der nordöstlichen Raumecke des 2.OG werden die wertvolle Burgunderbeute sowie das Juliusbanner ausgestellt. Sie stehen im Zusammenhang mit der Akteurs-Gruppe „Krieg als Business“. Diese Gruppe zeigt, was die Soldunternehmer im Krieg gewinnen, aber auch verlieren konnten: Macht, Ehre, Reichtum. Der Einfall des Tageslichts wird reduziert, damit die prunkvollen Textilien vor UV--Licht geschützt und im richtigen Scheinwerferlicht angemessen präsentiert werden können.
HÖRSTATIONEN
Die fiktive Figur „Zeugwart“ begleitet die Besuchenden des MAZ durch das ganze Haus, indem sie über alle Stockwerke verteilt die Geschichte des Gebäudes erzählt. Dabei wird unter anderem die Lage des Hauses inmitten der Solothurner Altstadt, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und dem Ambassadorenhof thematisiert. Im 2. Obergeschoss ermöglichen Hörstationen in den Fensternischen einen Ausblick auf diese Gebäude und den Zeughausplatz. Der Zeugwart tritt als Erzähler auf, wobei seine Erinnerungen real und durch atmosphärische, szenische Geräuschkulissen ergänzt werden.